Natze, Natze, Natze

Ein „La Beat“-Interview mit Bernadette La Hengst

Ox #65, April/Mai 2006 | Von Thomas Neumann

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Bernadette La Hengst, Jahrgang 1967, gründete 1990 in Hamburg die Band DIE BRAUT HAUT INS AUGE. Hier steht sie als Gitarristin und Sängerin in der ersten Reihe - bis zur Auflösung der Band im Jahr 2000. Zwei Jahre später veröffentlicht sie ihr erstes Soloalbum „Der Beste Augenblick In Deinem Leben“, umfangreiche Konzertreisen folgen. Jetzt erschien ihr neues Soloalbum „La Beat“. Daneben arbeitet sie noch mit dem mobilen Agit Prop Kommando „Schwabinggrad Ballett“.

Der Indierockpop der DBHIA-Zeiten wurde abgelöst von einem ausgefeilteren, elektronisch gestützten und mit differenziertesten Texten versehenen Natze-Sound. Was das ist? Es passiert nicht oft, dass man zufällig einem Album begegnet, das man ganz unkritisch ins Herz schließt. Die Frage, die sich stellt, ist dann immer, warum dieses und nicht ein anderes? Die „Braut“-Alben sind schon gut, zieht sie immer noch den Alben von Miss Holofernes Band vor - aber selbst der Vergleich schleppt sich so hin. 12, respektive 14 Songs lassen die Konkurrenz weit hinter sich. Eine internationale, elektronische, textlich starke Platte, die eine subtile Verbindung von Musik und Politik, von Unterhaltung und Anspruch schafft.

Dies ist eine recht werbewirksame Formulierung, aber es nimmt La Hengst nur von einer Seite wahr, reduziert auf den Aspekt „anspruchsvoll“ oder „Message for the people“. Das ist okay, wenn es damit gelingt, Hörer zu gewinnen. Aber den Kern beschreibt es nicht. Und worin besteht der? Einen Teil der Informationen, die man zum Verständnis der Komplexität des Projektes „La Hengst“ mit „La Beat“ benötigt, kann man vielleicht den anschließenden „Plaudereien“ in Verbindung mit einigen Textpartikel aus dem letzen Album „La Beat“ entnehmen. Nähern wir uns mit Frau La Hengst ein wenig ihrem neuen Album.

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Dein neues Album ist vor ein paar Monaten erschienen. Die Tour zum Album liegt auch schon hinter dir. Bist Du mit der Resonanz zufrieden?

Es gibt immer verschiedene Aspekte von Zufriedenheit, aber wirklich zufrieden mit einer Sache, an der man Jahre gearbeitet hat, war ich eigentlich noch nie, allerdings ist das auch ein guter Antrieb, weiter zu machen. Die Tour zum Beispiel hat mir sehr viel Spaß gemacht, fast alle Konzerte waren euphorisch, teilweise unerwartet und dadurch auch sehr lebendig. Die Presseberichte waren zum Teil auch sehr begeistert, nur merkt man halt immer wieder, daß Popmusik eine kurzlebige Sache ist, denn nach zwei Monaten ist man bei den meisten Leuten wieder vergessen, weil mittlerweile wieder hunderte neuer CDs erschienen sind, aber solange ich selbst auch in Bewegung bleibe, bringt mich das nicht aus der Fassung.

Was sollte man deiner Meinung nach über dein Album „La Beat“ wissen?

Puh, was für eine Frage. Man sollte es bis zum Ende hören und dann nochmal und nochmal von vorne. Ganz hilfreich für viele Verästelungen, Verweise, Zitate und Hintergrundgeschichten ist mein Booklet, das eine Art Orientierungsplan durch die Platte und auch durchs Leben darstellt. Darauf wollte ich zeigen, daß ich nicht die alleinige Ideengeberin von Kunst bin, sondern immer eingebunden in eine Geschichte, sei es politisch, feministisch, biographisch oder sonstwie. Und es soll natürlich Spaß machen, eine Welt eröffnen…

Hast Du einen Lieblingssongs auf dem letzten Album?

Ich glaube, das kann ich erst nach ein paar Jahren feststellen, welches Lied für diese Phase meines Lebens am entscheidensten war. Vielleicht „Nie mehr vor Mittag“ oder „Rockerbraut & Mutter“ oder „Zug ohne Bremse“.

Testest Du deine Musik mit Publikum, bevor die Stücke auf ein Album kommen?

Nach Möglichkeit schon, denn ich glaube, das was ich am besten kann, ist live spielen, und die Energie, die dabei entsteht, macht manchmal aus Liedern etwas ganz anderes, woran ich mich dann erinnern muß, wenn ich es aufnehme. Aber es gibt auch einige Stücke, die ich vor den Aufnahmen nie live gespielt habe, weil es schwierig war, sie genauso umzusetzen.

Wie war die Reaktion vom Publikum auf das Album?

Ich bin immer wieder überrascht, wie sehr sich Menschen an neue Lieder gewöhnen, ich kenn das von mir selbst, wenn ich eine Lieblingsplatte habe und die Band ein paar Jahre später live sehe, möchte ich am liebsten das hören, was mich zu Hause so begeistert hat. Aber anscheinend habe ich mit meiner neuen Platte direkt da angeschlossen wo ich mit „Der beste Augenblick“ aufgehört habe, wenn auch „La Beat“ viel tanzbarer ist. Aber der Geschmack des Publikums ändert sich ja auch, und ich spüre eine immer größer werdende Lust, zum Tanzen animiert zu werden.

Arbeitest Du schon wieder an neuem Material? Es dauert ja immer eine Zeit bis zum nächsten Album, aber….?

Bei mir hat sich die Zeit zwischen den Alben auf drei Jahre eingeschossen, die Zeit brauche ich einfach, um genug Abstand von dem letzten Album zu haben, und vor allem, um genug Dinge erlebt zu haben, über die ich erzählen möchte. Und damit meine ich nicht nur persönliche Dinge aus meinem kleinen Leben, sondern auch, wie sich die Welt verändert und ich meine Sichtweise darauf. Bei meiner letzten Platte haben mich verschiedene Nebenprojekte wie Theaterarbeit und auch politischer Aktivismus sehr inspiriert, mal sehen, was diesmal kommt. Ich mache gerade wieder mit Till Müller-Klug ein neues Theaterstück „Das populistische Paradies“, dafür werde ich auch wieder Lieder schreiben, und vielleicht kommen auch welche davon für meine nächste Platte in Frage. Außerdem bin ich seit einem halben Jahr Teil des Kunst-Performance Projektes „Unos United“ (initiert von Volker März), für die ich auch Musik schreibe, mal sehen, was sich daraus noch entwickelt.

Wie sieht es mit der musikalischen Entwicklung bei dir aus? Oder besser: was beeinflusst Dich am meisten auf deinem musikalischen Weg, den man ja bisher als durchaus abwechslungsreich bezeichnen könnte?

Am besten ist es natürlich immer, Musik zu hören oder mit anderen Musik zu machen, bei „La Beat“ war allerdings auch entscheidend, daß ich die Produktionsbedingungen selbst in der Hand hatte, also ich alles alleine am Laptop aufgenommen habe, wodurch die Produktion selbst zu einer Art Instrument wurde. Alles was ich bisher über Sounds wußte, mußte ich nochmal in Frage stellen, auch die Möglichkeit, tanzbare elektronische Musik selbst zu machen, im Gegensatz zu einer Band oder einer akustischen Platte, stellt einen vor viele neue Möglichkeiten. Was ist wichtiger, der Track oder der Song, die Musik oder der Text. Was ist ein Klischee, kann ich meine eigene Art von deutschsprachigem Hiphop erfinden oder mühe ich mich an einem Genre ab, das mir nicht gehört. Wem gehört Musik, wem gehören Ideen? Fliegen sie alle frei herum, und ich gebe ihnen durch meine Auswahl eine Persönlichkeit?

Könntest Du was zur Mehrsprachigkeit deiner Platten sagen? Du schaffst so eine interessante Verschmelzung… Wo liegen die Quellen …?

Ich wollte, daß meine neue Platte internationaler klingt, so also auch der bewußte Opener, der mit englisch und spanisch spielt, dann geht es über französisch und indisch zurück ins deutsche. Vielleicht liegt es auch daran, daß ich nach 15 Jahren Hamburg, wo sich ja fast alles um Deutschsprachigkeit und auch immer um dieselbe ausgelutschte Art von „Indie-Gitarrenpop“ dreht, nach Berlin gezogen bin. Und in Berlin gibt es nicht nur viel mehr internationale Musiker, sondern auch sehr viel selbstverständlicher Musikerinnen, vor allem auch Elektronikerinnen. Und ein paar dieser Damen sind auch auf meiner Platte zu hören.

Eine Frage zur Produktionsweise der Musik (im Studio). Nimmst Du immer im selben Studio auf? Oder arbeitest Du in verschiedenen Studios?

Ich war eigentlich mit jeder Platte in anderen Studios, und diesmal, wie ich schon erzählt habe, wurde fast alles bei mir zu Hause aufgenommen und gemischt. Einen großen Teil an der Produktion hat Ekkehard Ehlers übernommen, der eigentlich nur elektronische Musik macht und „La Beat“ u.a. zu vielen Tiefbässen verholfen hat.

Gibt es dabei technische Präferenzen? Vorlieben beim Equipment?

Ich arbeite mit Logic und benutze viele analoge Instrumente, wie Gitarre, Mandoline, Klavier oder mein Baby, den Korg MS 20 und auch mein neues Baby, den Alesis, zwei analoge Synthesizer.

Auf dem Fotos zum letzten Album kann man einen kleinen Synthi sehen. Hat es eine besondere Bedeutung mit dem ALESIS?

Er paßte farblich am besten zu meinem Kleid und die tollen Knöpfchen vom Korg hätte man auf einem Foto sowieso nicht erkannt…

Auf der Tour hast Du ja auch mit Knarf Rellöm oder Rhythm King zusammengearbeitet! Kannst Du davon ein wenig erzählen? Was habt Ihr zusammen gemacht? Abenteuer erlebt?

Mit Rhythm King ist es immer sehr schön, wir mögen unsere Musik gegenseitig und es passt gut zusammen, mit Knarf arbeite ich schon seit 16 Jahren zusammen (zuerst bei HUAH!, deren 2. CD demnächst bei L’Age D’Or wiederveröffentlicht wird, inkl. einem brandneuen Stück), und er ist einfach ein umwerfender Entertainer und Freigeist-Musiker. Am schönsten war der Moment, als er auf meiner neuen Bohrmaschine ein Solo gespielt hat.

Wenn Du an neuem Material arbeitest, wie entsteht ein Song? Erst Musik, erst der Text?

Immer unterschiedlich, manche Lieder entstehen immer noch im „klassischen“ Sinne, ich sitze am Klavier oder an der Gitarre und Text und Musik gehen Hand in Hand, aber bei vielen Stücken kommt auch zuerst die Musik, und danach überlege ich mir, welcher Text denn dazu passen könnte. Es gibt da keine Regeln, denn ich trage auch manche Texte Jahre mit mir herum, bis Musik auf sie herabfällt.

Wie kann man sich so einen Tag mit Musik bei dir vorstellen?

Ich stehe morgens um 8 Uhr auf (von wegen, nie mehr Mittags aufstehen, im nächsten Leben wieder), dann bringe ich meine Tochter in den Kindergarten, und dann arbeite ich normalerweise bis um 14 Uhr an etwas, dann wieder ab 20 Uhr, wenn sie schläft. Zwischendrin singe ich natürlich ganz viel mit meiner Tochter, weil Musik alle glücklicher macht.

Wie viel Musik ist pro Tag drin? Und das die ganze Woche? Oder machst Du auch noch andere Dinge, andere „Jobs“?

Ich beschäftige mich natürlich auch viel mit anderen Dingen, ich lese viel, sehe mir Theaterstücke an, treffe mich mit Menschen, diskutiere gerne und fahre auch viel durch die Gegend, weil das ja auch mein Beruf ist. Andere „Jobs“, die nichts mit mir zu tun haben, muß ich glücklicherweise nicht mehr machen, aber wer weiß, wie lange das noch so bleibt. Auf jeden Fall bin ich überzeugt, daß ein Kind das Leben nicht behindert, sondern bereichert, denn man muß sich mehr aufs Wesentliche konzentrieren, manchmal frage ich mich, was ich eigentlich davor mit all der Zeit gemacht habe. Wahrscheinlich gesoffen und am nächsten Tag meinen Kater gepflegt, wozu ich jetzt nicht mehr soviel komme, aber das ist auch billiger…

Wie fing das mit der elektronischen Musik eigentlich alles an und bist Du überrascht davon, wo Du jetzt stehst? … Man könnte deinen Texten so etwas entnehmen, obwohl man ja nicht immer von einer gemeinsamen Identität von Musiker und Erzähler in Texten ausgehen sollte…?!

Ja, ich bin manchmal überrascht, daß ich eher elektronische Musik mache, aber es ist ja nicht so, daß ich das Rad neu erfunden hätte. Es geht und ging bei mir immer darum, Energie zu transportieren, sei es mit Punkrock, Pop oder Tanzmusik. Da ich in den 90ern nie in Technodiscos war, fehlt mir eigentlich der natürliche Bezug dazu, aber was ist schon natürlich? Ich war auch keine schwarze Bluesmusikerin in den 50ern in Memphis und beziehe mich trotzdem darauf.

Wer macht das Art-Design von den Alben und der Website usw.?

Angela Lorenz aus Berlin ist eine begnadete Graphikerin, die dieses Mal alles gestaltet hat. Sie hat nicht nur Geschmack, sondern auch noch Intellekt und geistige Bewegung, es war eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit, wir haben alleine am Booklet zwei Monate rumgesponnen.

Wie gestaltet sich eigentlich die Zusammenarbeit mit deinem Label? Kannst Du alles realisieren was dir vorschwebt?

Trikont ist für mich das beste Label in Deutschland, weil sie glaubwürdig sind und mich sehr unterstützen. Sie haben zwar kein Geld für ein aufwendiges Video, aber es gibt im Moment sowieso keinen Sendeplatz, insofern erübrigt sich das.

Und was inspiriert dich momentan am meisten….? Sind Filme eine Inspiration für Deine Musik?

Ich sehe zwar viele Filme, aber ich könnte genauso sagen, daß ich von bildender Kunst oder von politischem Aktivismus inspiriert werde, denn es geht mit immer eher darum, eine Form zu erkennen, von der man lernen kann, wie frei wird assoziiert, wie wird eine Geschichte erzählt, gibt es einen Anfang und einen Schluß, gibt es eine Moral oder steht die Form darüber?

Hast Du auch Rock’n Roll-Helden?

Na klar, von Chuck Berry über Little Richard (von dem ich übrigens ein Autogramm auf meiner Gitarre habe) bis hin zu Kathleen Hannah.

Deine erste Platte/CD?

Status Quo, „Rocking all over the world“

Die schrecklichste oder peinlichste Platte, die Du besitzt?

Status Quo „Rocking all over the world“

Was ist auf Deiner aktuellen Playlist?

Cat Power „The greatest“ und Angie Reed „xyz frequency“

Gibt es ein Highlight in der elektronischen Musik, das Du immer wieder hörst?

Nein, eigentlich nicht, meine favourites sind eher Bands. Ein Zwischending ist natürlich „Le Tigre: Feministic Sweepstakes“.

Wie ist eigentlich dein Verhältnis zu deinen früheren Aufnahmen? Magst Du die noch … Manches ist ja nur noch äußerst schwer zu bekommen und hat schon fast Kultstatus…!

Ja, natürlich mag ich das noch, es gehört ja zu mir und zu den anderen Musikerinnen von „Die Braut haut ins Auge“, eine Zeit, an die ich gerne aber selten wehmütig zurückdenke. Ich spiele auch live ein paar alte Braut-Stücke nur mit Gitarre, und da merke ich dann schon, daß sie immer noch aktuell sind.

Machst Du Videos zu Deiner Musik?

Ich hab ein einziges gutes Video zu „Der beste Augenblick“ gemacht mit Oliver Husain, einem sehr inspirierten Frankfurter Künstler. Leider gab es diesmal ja nicht die Möglichkeit, aber grundsätzlich sehe ich bei Liedern auch immer Bilder, die man nur mal alle umsetzen muß.

Dein Album ist auch auf Vinyl erschienen. War das eine Entscheidung vom Label?

Nein, ich hatte das Glück, das Ritchie Records (ein Unterlabel von Flight 13) große Lust hatte, Vinyl zu produzieren, sie haben schon eine Braut Live Platte und eine Vinyl Single von mir rausgebracht, im März kommt eine neue Vinyl Single mit 4 Live Stücken nur an der E-Gitarre aus Freiburg, also achtet drauf.

Zum Schluss noch was ganz anderes! Wie ist dein Verhältnis zu Haustieren? Mags Du was drüber erzählen?

Oh Gott, meine Tochter Ella steht total auf Katzen, sie benennt alles was vier Beine hat mit „Natze, Natze, Natze“ und daher haben wir jetzt schon ein paarmal die Katze vom Nachbarn ausgeliehen, mit dem Ergebnis, daß sie schon zweimal in mein Bett gepißt hat. Ich glaube, das wars jetzt mit der Natzen-Euphorie.

Danke für das Interview und daß Du dir die Zeit genommen hast …

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