Später gibt es Suppe

Recherche in der Bahnhofsmission und unter Flaschensammlern: Das Theater Freiburg übt sich mit einer „Bettleroper“ in sozialer Zuwendung. Mit Blockflöten und Liedern von Bernadette La Hengst.

taz, 25.01.2009 | Von Annette Hoffmenn

Am Abend der Premiere ist es kalt in Freiburg. Im Kleinen Haus des Theaters Freiburg rückt man für die „Bettleroper“ zusammen, alle sind sie da, die lokale Politprominenz, Hartz-IV-Empfänger, das Premierenpublikum. Manche werden von den Darstellern auf der Bühne mit Handschlag begrüßt. Später wird es für alle Suppe geben.

Eine Litanei ist vom Band zu hören, die für jene um Vergebung bittet, die lügen und falsch sind und die auf ihren Musiksendern sexistische Videos laufen lassen. Ein Mann im Trenchcoat, die Lesebrille in der Hand, quetscht sich durch die Reihen und gibt den Zuschauern Anweisungen. „Kein Popreis, äh, Popcorn, später können Sie ja ins Kino gehen.“ Gehört das schon zur Inszenierung von Christoph Frick? Es gehört.
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Avantgarde-Bettler

Ausschnitt aus dem Theaterstück „Bettleroper“ im Theater Freiburg 2009.

Die Bettleroper wurde für das Theater Freiburg mit 6 SchauspielerInnen und 11 Freiburger „Armutsexperten“ (ehemalige Obdachlose, Hartz 4-Empfänger, Bauwagenbesitzer, Bettler und Flaschensammler) entwickelt. Die Gruppe erarbeitete ein Stück über den sozialen Abstieg der „Avantgarde Bettler“ vor und nach der Wirtschaftskrise.

Bettlerchor: Christine-Sophie Arnold, Falko Gottsberg-Jakobs, Uli Herrmann, Dietrun Jochim, Jeannette Joseph, Georg Kaiser, Johanna Krause, Sonja Seelig, Hannes Moritz, Thomas Seifert und Wolfgang Steidel

Für alte Reiche und neue Arme

Bericht zur Freiburger Bettleroper

suedkurier.de, 26.01.2009| Von Siegbert Kopp

Der bärtige Falko im Trenchcoat hat früher gebettelt. Er hat sich dafür ganz tolle Geschichten ausgedacht. Die sind aber bei den Passanten nicht richtig rübergekommen. Jetzt versucht er sich als Straßenmusiker auf der Melodika. Dietrun, alleinerziehende Mutter, Hartz-IV-Empfängerin, hat Mitte des Monats kein Geld mehr – aber Betteln ist bei ihr nicht drin, es könnte sich in der Schule herumsprechen. Uli hingegen hat als Bettler schon reiche Erfahrung gesammelt. Sein Tipp: Der Standplatz ist wichtig. Ein fester Standort muss sein. Märkte sind immer gut. Von wegen Stammpublikum. Laufkundschaft bringt nichts. Man muss freundlich sein, darf auch ein bißchen flirten, aber nicht zu viel lachen, das weiß Jeanette. Und die toughe Powerfrau Christine-Sofie kennt sich aus mit Notschlafstellen, Essen-Treffs und Kleiderausgabestellen und den notwendigen Bezugsscheinen.
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Schon mal Hartz IV gehabt?

Bericht zur Freiburger Bettleroper

Badische Zeitung, 26.01.2009 | Von Bettina Schulte

Dies ist kein Stück über, sondern mit und von. Kein Stück über Arbeitslose, Penner und Hartz-IV-Empfänger, keine Sozialstudie über Elend und Armut im vom Schatten der Finanzkrise verdunkelten Gegenwartsdeutschland im zwanzigsten Jahr des Mauerfalls. Hier ist der Genitivus Subjectivus am Platz. In dieser „Bettleroper“ singt und spielt der Bettler selbst. Mitleid verbietet sich da. So wie es in dem höhnisch-sarkastischen Lied mit eben diesem Titel heißt: „Mitleid ist Religion, / und der Armen Lohn, / doch davon wird niemand reich.“
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Phänomenologie eines sozialen Zustands

Bettleroper – Die Musikerin Bernadette La Hengst lässt Lieder von der Armut singen

nachtkritik.de, 23. Januar 2009 | Von Jürgen Reuß

„Wir stecken mitten in einer Krise […], weil wir als Kollektiv versäumt haben, harte Entscheidungen zu treffen und diese Nation auf die neue Zeit vorzubereiten“, sagte Barack Obama in seiner Antrittsrede. Das Theater Freiburg nimmt dieses Zitat nicht nur als Motto für seine jüngste Premiere, die „Bettleroper“, sondern hat es mit diesem Schauspiel bereits umgesetzt.
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Bettleroper (2009)

Ein Ensembleprojekt zu den Lebenslagen in Deutschland
mit Musik von Bernadette La Hengst

Premiere: 23.1.2009 im Theater Freiburg

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Sechs Schauspielerinnen und Schauspieler haben sich sechs Wochen lang mit Geld, Existenzangst und Zufriedenheit beschäftigt. Unterstützt wurden sie dabei von Freiburger Experten: Christine-Sophie Arnold, Falko Gottsberg-Jakobs, Hannes Gotzes, Uli Herrmann, Dietrun Jochim, Jeannette Joseph, Georg Kaiser, Johanna Krause, Sonja Seelig, Hannes Moritz und Wolfgang Steidel sind zum Teil ohne festen Wohnsitz, Hartz-4-Empfänger, Bauwagenbesitzer und (ehemalige) Bettler oder Flaschensammler.
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