Die Braut haut ins Auge

Die Braut haut ins Auge war meine/unsere Band von 1990 bis 2000. Es war eine gute Zeit, besser als die depressiven 80er. Es gab Riot Grrrl in Amerika, es gab Heike Makatsch’s und Lucilectric’s verniedlichte Girlie-Variante in Deutschland, aber es gab auch die Lassie Singers in Berlin und es gab Die Braut haut ins Auge in Hamburg.

Unser Motto bei der Auflösung war »9 Jahre sind genug«, frei nach dem alten Punkrock-Klassiker der Hamburger Band »Angeschissen« (»9 Jahre sind genug, und du liebst jetzt einen andern, und ich muss dich schnell vergessen, und dein letztes Ding war scheiße …«. Aber noch besser passt die einzigartige Rapperin Cora E. mit ihrem Lied »Schlüsselkind«: »Es wäre nichts so wie es ist wär es nicht gewesen wie es war«.

Hier kommt die Geschichte der Braut:

+ 1 auf der Gästeliste

CD/LP, B.H. Records/Ritchie Records, VÖ: 20/03/2000

Vorweg, es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die gute: Die Braut haut ins Auge kommt mit ihrer ersten Live-Platte »+1 auf der Gästeliste« im Gepäck auf Tour. Doch nun die schlechte Nachricht:

Es wird die letzte Platte der Braut sein. Aller Ende ist schwer, doch »9 Jahre sind genug«, beschlossen Bernadette Hengst (Gitarre, Gesang), Peta Devlin (Bass, Gesang), Karen Dennig (Orgel, Synthie) und Katja Böhm (Schlagzeug) kurz vor dem »Millenniums-Wahn« und dem »10-Jahre-Wiedervereinigungs-Taumel«.

Die Hamburger Schule ist aus, Ulk-HipHop bringt den Grand Prix durcheinander, Bauchnabel-Babes und Retorten – Girlies bestimmen die Modeindustrie. Die Braut entkam sämtlichen Zeitgeist – Kategorien und stand immer für sich selbst.

Und weil die Braut nie leise war, wird es auch kein leiser Abgang werden, im Gegenteil: Lebendig und laut haben sie in Regensburg gespielt und zum Glück waren sie so schlau, das aufnehmen zu lassen. Die musikalische Reise der Platte geht von ihren Anfangshits wie »Der langweiligste Junge der Welt« über eine psychedelische Version von »Was nehm ich mit, wenn es Krieg gibt« bis hin zu der »FSK/David Lowery« Country-Jodel-Cover-Version »Texas« und dem bisher unveröffentlichten Abschiedsstück »1000 Bier«.

Und immer wieder wird klar, wem die größte Liebe der Braut gehört: dem Popsong. Jede der drei-bis-fünf-Minuten-Einheiten ist eine Welt für sich, blickt vom Makro- in den Mikro – Kosmos (»ÜberAll«), durchs Schlüsselloch (»Wenn Du gehst«) oder in die Sterne (»Mann mit Hang zur Depression«); bei der Braut hängt der Himmel voller Rhythmusgitarren.

Live ist ihre Energie nicht zu überbieten, und das ist keine Legende. Künstlichkeit und Kälte werden ausgelacht, Humor und Fröhlichkeit regieren, sie geben der Traurigkeit die Hand, Melancholie blitzt der Braut wie Schalk in den Augen.

Die Braut haut ins Auge, trifft aber mitten ins Herz. Es gibt keinen Ausweg, außer sich davon anstecken zu lassen, (wie bei »Laß es! Tu es!« nicht zu überhören ist).

Die Braut haut ins Auge weiß, wo sie steht: auf der Seite des Rock’n’Roll.

Pop kommt nicht von Popanz und Rock ist keine Geste. Die Braut haut ins Auge ist rockiger als Motörhead und poppiger als Gitte.

Und das ist schon ein Kunststück für eine Band, in der nur Frauen Musik machen, die aber keine Lust hat, nur eine Frauenband zu sein. Ihre Fußstapfen werden hoffentlich bald von vielen Mädchen mit Sieben-Meilen- Stiefeln in Größe 42 ausgetreten werden.

Die Braut haut ins Auge waren:

Katja Böhm: Schlagzeug
Karen Dennig: Orgel, Synthesizer, Gesang
Peta Devlin: Bass, Gesang
Bernadette Hengst: Gitarre, Gesang

Biographie:

1990 – Band-Gründung als Quintett in Hamburg St. Pauli
1992 – selbst finanzierte und produzierte Doppelsingle (leider vergriffen)
1993 – Aufnahmen zum Debut-Album, produziert von dem ehemaligen Beat-Star Frank Dostal (Ehemann der Liverbirds-Bassistin)
1994 – erstes Album »Die Braut haut ins Auge« (BMG/Ariola Hamburg)
1994 – Tourneen und diverse Radio- und Fernseh-Auftritte
1995 – Ausstieg der Gitarristin Barbara Hass, die Braut spielt seitdem als Quartett weiter
1995 – zweites Album »Was nehm ich mit, wenn es Krieg gibt« (BMG/Ariola)
1996 – Tournee durch Amerika (Chicago, New York, Memphis und Nashville)
1997 – Konzert auf einem der größten russischen Rockfestivals in St. Petersburg, dazugehöriges Roadmovie »The Bride Strikes Back«
1998 – drittes Album »Pop ist tot« (BMG/Ariola), produziert von der Braut und Chris v. Rautenkranz (Soundgarden Studio Hamburg)
1998 – Busunfall auf Promotiontour, die Braut kam mit blauem Auge davon, im Gegensatz zu den Instrumenten, August 1998 Benefiz für die Braut mit Hamburger Bands in der Markthalle Hamburg
1998 – Tournee und Video-Rotation von »Wenn Du gehst« auf diversen Videokanälen
1999 – Auflösung der Braut und der Beschluß, einen lauten Abschied zu feiern
2000 – Veröffentlichung der Live Platte »+ 1 auf der Gästeliste«, produziert von der Braut, abgemischt von Peta Devlin, erschienen auf dem Label von Bernadette Hengst »B.H.Records«
April/Mai 2000 – Abschiedtour der Braut: 9 Jahre sind genug!

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