www.intro.de, 21.11.2005
Die kleine Bar im Gebäude 9 ist scheinbar genau der richtige Auftrittsort für Bernadette La Hengst. Wenn ich mich richtig erinnere, zog sie schon das letzte Mal vor drei Jahren diesen intimen Bereich der deutlich größeren Halle vor. Zwar etwas schade, dass sie trotz ihres formidablen neuen Albums „La Beat“ noch nicht die Massen zieht, um einen Umzug notwendig zu machen, so aber stimmt das Verhältnis von Zuschauern zum vorhandenen Platz genau. Gut für die Stimmung.
Es gab Zeiten, in denen BLH noch Indiepop spielte. Das war, als es ihre Band ‚Die Braut Haut Ins Auge‘ noch gab. Damals residierte sie mit ihrer Band in Hamburg, war integraler Teil der lokalen Musikszene der Neunziger Jahre und für mich neben Typen wie Begemann, Distelmeyer und Spilker Rolemodel in der Hinsicht, es mit Ideen, Ambitionen und Ehrgeiz heraus zu schaffen aus der ostwestfälischen Provinz in Umfelder von kreativem Austausch und Coolness, die in meiner Vorstellung damals das so ziemlich Erstrebenswerteste waren. Es sollte aber noch bis Ende der Neunziger dauern, bis auch ich den Sprung aus meinem Dorf, ein paar Orte von dem Dorf BLHs entfernt, schaffte.
In der Zwischenzeit fing BLH an, nicht mehr nur Indiepop zu spielen, sondern einfach alles. Und ihre Ambitionen dürften mittlerweile die Idee vom Sprung aus der Provinz längst überstiegen haben. Nicht zuletzt sichtbar durch ihr Engagement für die nationalen Ladyfeste. Ihre Musik ist nicht mehr so eingängig-schön wie zu Zeiten ihrer alten Band, sie hat sich für ihre Solokarriere bewusst für Ecken und Kanten entschieden, vor allem lyrisch, und stellt einen R’n'B-Song munter neben einen Disco- oder einen Gitarrentrack. Keiner dieser Tracks ist Füllmasse, denn aus allen spricht eine kontrovers-brennende Relevanz, immer außerhalb aller Anklage-Konventionen, sondern jedenfalls für mich so verstörend wie zwingend.
Dahinter steht die Verpackung nicht zurück: In den letzten Jahren sah ich sie mal mit zwei Typen im Hintergrund, mal nur unterstützt von ihrem Partner Ekkehard Ehlers. Nun kommt sie allein. Und mit neuen Tanzschritten. Botschaft allein war ihre Sache nie. Ihre Show lebt von der intensiven Interaktion mit ihrem immer sagenhaft bunt gemischten Publikum: Ist es gut drauf, kann ein Konzertsaal während eines Hengst-Konzertes vor lauter Gruppentänzen und Mitsingspielchen auch mal richtig schwül werden. Denn dann führt sie alles vor, springt, tanzt und spielt sehr ausladend ihre Gitarre. Trotzdem: Das Versprechen vom politisierten Dancefloor erfüllt sich bei kaum jemandem so explizit wie bei ihr. Weil sie klug und energisch ist. Weil sie den Eindruck macht, neue Erfahrungen sehr bewusst zu verarbeiten, z.B. ihre neue Rolle als Mutter. Und, und da bin ich mir sicher, weil sie sinnentleerte Massenveranstaltungen hasst. Sie hätte das Potenzial von Pop gerne ausgeschöpft. Und genau deshalb sind ihre Konzerte so gut, auch das im November-Köln machte da keine Ausnahme: Hört man ihr zu, kitzelt sie sowohl Körper als auch Geist. Sie vermittelt Haltung, Gesinnung und Spaß. Sie schafft das Gefühl von Gemeinsamkeit. Und sie gibt eine Ahnung davon, was Pop kann, gibt man ihm nur den richtigen Rahmen.