La Hengst gibt sich die Ehre …

… und kaum einer merkt es: Vom Konzert am 13. Juni in der Alten Hackerei in Karlsruhe

Anselm Brakhage, titel-magazin.de, 19. Juni 2008

Welch ein Jammer und Wasser auf die Mühlen aller, die mit Karlsruhe (teils zurecht, teils zu unrecht!) verschlafene biedere Provinz verbinden (diese Einschätzung ist erfahrungsgemäß vor allem in nördlicheren Gefilden sehr verbreitet). Nicht die Künstlerin mit ihrer Band bot den Grund für diesen Klageruf, sondern die Tatsache, dass sich nur ein versprengtes Häuflein zu diesem erlesenen Konzert in Karlsruhes Alter Hackerei einfand, und noch viel schlimmer: dass dieses Grüppchen lange Zeit so lahmarschig & lethargisch wirkte wie die deutschen Kicker im zweiten EM-Gruppenspiel.

Dabei waren die Voraussetzungen an diesem Freitagabend doch blendend, konnten sich Band und Publikum vor Konzertbeginn noch von Hollands Fußballfest gegen Frankreich berauschen lassen, sodass man das eine tun (Fußball schauen) konnte und das andere (Konzertbesuch) nicht lassen musste. Zumindest an diesem Abend war der mögliche Konflikt somit umschifft, mit dem sich die Band nach eigenem Bekunden dieser Tage herumschlagen muss: gezwungenermaßen gegen den Fußball „anstinken“ zu müssen.

Schon bei der müden Reaktion auf Bernadette La Hengsts Begrüßungsworte spürte man eine unverständliche Reserviertheit auf Seiten des Publikums, im krassen Widerspruch zum quellfrischen Esprit der La Hengst. Zumindest oberflächlich davon unbeeindruckt startete die Band – La Hengst wurde von Friedrich Greiling am Bass und Daniel Gahn am Schlagzeug begleitet – ins Programm und stellte nahezu komplett ihre neue CD „Machinette“ vor: abermals eine hoch prickelnde, pulsierende Mischung aus viel body und viel soul, aus kraftvollem Beat & filigranem Text, so wie bereits beim Vorgänger-Album „La Beat“, ein wenig rockiger, funkiger als jenes, aber gleichermaßen bestechend durch Abwechslungs- und Ideenreichtum. Echte textliche und musikalische Perlen sind wieder darunter, wie etwa die Titel „Freiheit ohne Sicherheit“ und „Das populistische Paradies“, in denen das ewige Ringen nach einem erfüllten, ach was: einem prallvollen Leben auf schöne alltagspoetische Weise beschrieben wird. Erfrischend dabei die gelungene Liaison von Leichtigkeit und Tiefe: meist schimmert zwar ein schwermütiger Anflug durch – wie kann es anders sein, wenn man es mit der Wahrheit und der ungeschminkten Wahrnehmung ernst meint –, aber die musikalische und textliche Botschaft erteilt dem möglichen Verfallen in (Ver-)Zweifel(n) und Resignation eine eindeutige Absage. Intelligent und originell werden auch gesellschaftliche Eisen angepackt, wie etwa in „Der grüne Halsbandsittich“, in dem der Klimawandel mal ganz anders, nämlich aus der Vogelperspektive, betrachtet wird. Wer schafft das schon: diesem Dauerbrenner noch neue Aspekte abzugewinnen? Da hätte Funny van Dannen Pate gestanden haben können.

Nach einer guten Stunde schien es mit der guten Miene zum bösen Spiel allerdings vorbei zu sein, und die Band kündigte kurzerhand das Konzertende an, um freilich kurz darauf wieder die Bühne zu betreten; und plötzlich schien der Knoten – naja: nicht zu platzen, aber sich doch aufzulösen. Das Publikum, aufgeschreckt vom nahenden Konzertende, konnte sich dem Feuerwerk irgendwann einfach nicht mehr entziehen. Die Band kam jetzt immer mehr in Fahrt, gekrönt wurde der über einstündige Zugabeteil von einer mitreißenden Version von „Her mit der Utopie“.

Getragen wird das Feuerwerk zweifellos in allererster Linie von der Kraft und dem Charme der Bernadette La Hengst. Aber auch die beiden Begleiter erledigten nach kleineren Anlaufschwierigkeiten ihren Part, sieht man mal von den Gesangseinlagen Friedrich Greilings ab, die etwas uninspiriert und kraftlos daherkamen; die fehlende stimmliche Akzentuierung schien auch nicht einer gewollten Lakonie geschuldet, sondern eher einer gewissen Lustlosigkeit.

Vielleicht lassen sich einfach unglückliche Umstände als Erklärung für die geringe Resonanz ins Feld führen; insbesondere die Tatsache, dass der Spielort – die Alte Hackerei auf dem zwar noch in Betrieb befindlichen, aber der endgültigen Stilllegung und kulturellen Umnutzung geweihten Schlachthof-Gelände – erst seit kurzem am Start ist und einfach noch nicht über die nötige Bekanntheit verfügt, obgleich die Betreiber viel dafür tun. Insofern ist also auch den ‚Alten Hackern’ kein Vorwurf zu machen, die im Gegenteil hier in kurzer Zeit eine schöne neue Musikadresse ins Leben gerufen und schon ein bemerkenswertes Programm auf die Beine gestellt haben.

Fazit des Abends: wie gut, dass es Künstlerinnen wie Bernadette La Hengst gibt, ausgestattet mit derart viel kreativem Potential, musikalischer Power, sprühender Spielintelligenz; und wie gut, dass es Initiativen wie die Betreiber der Alten Hackerei gibt, die ihre Manpower und ihren Idealismus dafür einsetzen, musikalischen Überzeugungstätern Raum und Bühne zu geben. Jetzt müssen nur noch die Leute aus ihren Löchern kriechen, die beides gebührend zu würdigen wissen. Alles wird gut werden …

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