Unos United – Alle wollen wie alle sein (2006)

Offizieller Beitrag des Kunst- und Kulturprogramms der Bundesregierung zur FIFA WM 2006, Juli 2005 bis Juli 2006
Von Volker März

Nürnberg, 2006

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Zahngoldsong, Theaterspektakel Zürich, 2006

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Anlässlich der Fußball-WM in Deutschland gründete der Künstler Volker März im Jahr 2005 die Performance-Gruppe UNOS UNITED. Anlass war, dass er von der DFB Kunst - und Kulturstiftung gebeten wurde, ein Performancekonzept zu entwickeln. UNOS UNITED läuft seit Anfang Juli 2005. Bisher war es in Hildesheim, Zürich, Nürnberg und Berlin zu sehen. UNOS UNITED war ein sich bewegender Teil der Ausstellung „Rundlederwelten“, die vom 20. Oktober 2005 bis zum 8. Januar 2006 im Martin-Gropius-Bau Berlin nach einer Idee von Harald Szeemann gezeigt wurde.

Die Performance-Reihe UNOS UNITED beschäftigt sich ausschließlich mit den Schattenseiten des Fußballs und dessen Subtexten wie Selektion, Nationalismus, Rassismus und Opportunismus und setzt diese in einen politischen Kontext. So war UNOS UNITED das einzige Projekt des Kunst- und Kulturprogramms der Bundesregierung zur FIFA WM 2006, das sich kritisch mit Fußball und dessen deutlichen Verbindungen zur Politik auseinandersetzt.

Die von Volker März ausgesuchten Auftrittsorte sind mitbestimmend für den Inhalt der Performances. So performt UNOS UNITED beispielsweise anlässlich des 70sten Jahrestages der Nürnberger Gesetze auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.

Markenzeichen von UNOS UNITED sind bis zu 22 türgroße Radiergummis, die den Performern als variable Bühne, als Requisit und Kunstobjekt dienen und die ihre Umgebung sowie alle Beteiligten in einem neuen absurden Größenverhältnis erscheinen lassen.

Die Mitglieder von UNOS UNITED sind ausgebildete Tänzer und erfahrene Choreografen, die parallel für andere Gruppen oder mit eigenen Kompanien arbeiten. Zudem gibt es bei UNOS UNITED Medienkünstler und Musiker, die im Ensemble mitwirken.

Nach den Stücken „Vom Bahnhof zur ehemaligen Synagoge“ (Hildesheim 2005) „Alle wollen wie Alle sein“ (Zürich 2005) und „Hasenfellweich“ (Nürnberg 2005) „ALLE SAMT ANGST“ (Berlin 2005/2006) erarbeitete UNOS UNITED für Griechenland (auf Einladung von Patras / der Kulturhauptstadt Europas) ihr Stück „MACHT UND SINN“.

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UNOS UNITED unternimmt den spielerischen Versuch, das mögliche sowie das tatsächliche Vergessen zu revitalisieren. Indem UNOS UNITED als inter-nationale Mannschaft eines nationalen Tätervolkes auf absurde Weise ihre Radiergummi-Elf als Mittel benutzt, eine Brücke über eine diplomatische Sprachlosigkeit zu schlagen, versucht es eine verrückte Kommunikationsebene zu schaffen, auf der in einer Art „Arena des Augenblicks“ nonverbale Verständigung antizipiert werden soll.
Die Radiergummis dienen als Spielfeld, Bühne und scheinbar banales Symbol. Sie führen wie eine theatralische Waffe zur Entwaffnung eines einseitigen Geschichtsverständnisses.

In erster Linie wird gezeigt, dass es außerhalb des politischen Raumes Strömungen innerhalb der deutschen Gesellschaft gibt, für die das Bloßlegen der dunkelsten Schichten deutscher Geschichte kein lästiger Teil einer mühsamen Bewältigungswalze ist. Es ist vielmehr eine lebensnotwendige Bewegung, die, wenn auch im fortlaufenden Widerspruch, eine eigene Sprache bietet. Jenseits von Scham und Schuld beschreitet UNOS UNITED eigene Wege ohne das Wissen der Opfer und deren Nachkommen zu vereinnahmen. Die Massaker der deutschen Wehrmacht in Griechenland sind dabei präsent.

Die Anwesenheit von UNOS UNITED bietet daher keinen keimfreien Unterhaltungsmoment. Es wird vielmehr durch das öffentliche Performen eine Art fragende Zuhörerschaft gebildet. Für kurze Momente fällt UNOS UNITED vor Ort in ein Lied oder in eine Tanzsequenz, in eine statische Versuchsaufstellung oder in ein gemeinsames Geräusch, um sofort danach wieder auseinander zu fallen, sich zu vereinzeln, Plätze zu füllen und durch die pure Anwesenheit eben diese Orte nachhaltig zu verfremden. UNOS UNITED versucht, Kontakte aufzuspüren, die das Projekt beidseitig, zwischen Performer und Zuschauer, bereichern.

Manchmal ist das Vor-Ort-sein nicht viel mehr als eine kleine Geste.

Biografie Volker März

Volker März, der in den letzen Jahren vielfältige Kunstinstallationen und Performances zu Friedrich Nietzsche, Giordano Bruno, Martin Heidegger, Heinrich von Kleist, Marquis de Sade, Peter Sloterdijk, Walter Benjamin und Hannah Arendt inszeniert hat, kreierte die stereotype Figur des Uno für seine absurden „Erklärungen“. Der Uno ist ein Prototyp, mit dessen Hilfe März die jeweiligen Inhalte, Psycho- wie Physiogramme seiner Protagonisten und deren Werke transportiert.

Das Team UNOS UNITED

Andrew Morrish – Choreograf und Performer, Australien
Ante Pavic – Choreograf und Performer
Andreas Müller – Tänzer, Chreograf
Martin Clausen – Performer, Choreograf
Kay Grothusen – Tänzer, Choreograf
Peter Trabner – Performer
Antje Rose – Tänzer, Chreograf
Sybille Müller – Tänzerin
Mata Sakka – Tänzerin, Griechenland
Joris Camelin – Tänzer, Frankreich
Paul Gazzola – Performer , Australien
Nadia Cusimano – Performerin, Dramaturgin, Italien
Martin Stiefermann – Choreograf, Künstlerischer Leiter Tanzkompanie des Staatstheaters Oldenburg und der Kompanie MS Schrittmacher (Oldenburg/Berlin)
Michael Strauven – Dokumentarfilmer
Timm Ulrichs – „Totalkünstler“
Bernadette La Hengst – Performerin, Komponistin
Kaska Hass – Mode / Kostüm
Malika Ziouech – Sängerin, Performerin

Projektleitung: Ludger Orlok, Tanzfabrik Berlin

 

http://www.unosunited.de

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