CD, Theater Freiburg 2009, limitierte Auflage
Tracklisting
- Wer hat das Geld versteckt?
- Abstieg
- Mitleid
- Angst als Antrieb
- Flaschenfolk
- Avantgarde Bettler – Video
- Grundeinkommen
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Texte und Musik von Bernadette La Hengst. Die Songs sind exklusiv geschrieben und aufgenommen für die Bettleroper Freiburg. Die CD kann für 12 Euro (davon gehen 2,50€ an eine Freiburger Beratungsstelle für Obdachlose) bei mir (lahengst at gmx.de) bestellt oder direkt im Theater Freiburg erworben werden.
Bettlerchor: Frank Albrecht, Christine-Sophie Arnold, André Benndorff, Anna Böger, Nicola Fritzen Bettina Grahs, Dietrun Jochim, Jeannette Joseph, Bernadette La Hengst, Melanie Lüninghöner, Johanna Krause, Sonja Seelig, Falko Gottsberg-Jakobs, Hannes Gotzes, Uli Hermann, Georg Kaiser, Hannes Moritz, Wolfgang Steidel
Aufgenommen im Januar 2009 von Markus Heinzel im Theater Freiburg und abgemischt im Liquidstudio Freiburg.
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1. Wer hat das Geld versteckt?
Wir haben die Krise überwunden.
Zweitklassige Kredite.
In Berlin? In Berlin?
Wir wollen Rendite, Rendite.
die suchen nach dem Geld
Die Reichen sind zu reich,
der Mittelstand will auch mal ran,
Und will auch Häuser kaufen,
wer leiht ihnen das Geld?
na, die werden sich bedanken.
und nach den Werten …
die Armen sind zu arm,
und ist jetzt ausser Rand und Band
mit Champagner sich besaufen,
Die Banken, die Banken,
Jetzt haben sie nichts mehr,
Vom Staat, vom Staat, vom Staat.
wo kriegen sie die Millionen her?
Da haben wir den Salat.
bei der Finanzagentur.
Das ist ein weites Feld
Jetzt müssen sie betteln gehen,
Woher hat die das nur?
in der Wirtschaftswelt.
Wer hat das denn bezahlt?
Woher?
Die sind doch selber pleite.
investmentfonds. investmentfonds.
Aus den USA.
Das ist leider die andere Seite…
Eben hier und schon ist es weg.
Und wer hat das Geld versteckt?
Eben hier und schon ist es weg.
Es ist weg (weg, weg, weg).
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2. Angst vor dem Abstieg
1. Chor singt:
Abstieg, Abstieg, Abstieg,
Angst vor dem Abstieg.
Monetäre Armut
Relatives Armutsrisiko
Die Reformbilanz der Bundesregierung kann sich sehen lassen
Unternehmen reduzieren ihre Wert schöpfungstiefe
und ordnen die betrieblichen Wertschöpfungsketten neu
Die Schwächephase wurde überwunden
Abstieg, Abstieg, Abstieg,
Angst vor dem Abstieg.
Der Schlüssel zur Armutsvermeidung ist Bildung und Beschäftigung
Soziokulturelles und physisches Existenzminimum
Mortalitätsrisiko hängt mit Einkommenshöhe zusammen
Von Transferleistungen unabhängig sein
Negative Einkommenssteuer
Abstieg, Abstieg, Abstieg,
Angst vor dem Abstieg.
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3. Mitleid
Ich schau dir in die Augen,
wir sind uns nicht so unähnlich,
es gibt ein paar Zeichen, an denen ich erkennen kann,
daß wir aus ein und derselben Welt stammen,
doch deine Codes kann ich nicht lesen,
dafür bin ich immer zu sicher gewesen,
du bist mir zu fremd, nein, das geht mir zu weit,
du kannst nicht bei mir schlafen, nein, ich hab keine Zeit…
Mitleid, ohoho Mitleid…
Und wenn ich nachts allein die Wölfe anheule,
und mein ganzes Leben hinter mir zu liegen scheint,
dann denke ich an die Bosse der Banken,
die zur Gosse hinwanken,
und nachts auf der Brücke stehen,
und nicht darunter,
ihr weint heimlich in eure Kopfkissen,
den Neid habt ihr euch verdient,
mein Mitleid kriegt ihr gratis dazu.
Gebt mir einfach euer schlechtes Gewissen,
und geht einen Mond lang in meinen Schuhen,
Armut ist Arbeit, nur zu schlecht bezahlt,
nehmt unser Elend, dann seid ihr endlich befreit…
Mitleid, ohoho Mitleid…
Mitleid mit denen, die unter uns stehen.
Mitleid ist doppeltes Leid,
Mitleid ist Religion,
und der Armen Lohn,
doch davon wird niemand reich.
Mitleid trägt ein goldenes Kleid,
mit Mitleid kauf ich mich frei
von Armut als Königin der Einsamkeit,
ohne Mitgefühl sind wir allein.
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4. Angst als Antrieb
Biete Blutspende für Regiokarte,
und neue Zähne als eine harte
Währung sind eine gute Investition,
besser als der Riesterantrag, der jetzt schon
seit Jahren auf meinem Schreibtisch liegt,
und mich mit den müden Augen meines Vaters ansieht.
Angst als Antrieb. Adrenalin!
Angst als Antrieb. Mehr Disziplin!
Angst als Antrieb. Arge Termin!
Angst als Antrieb. Gibt mir Energien!
Achtung Achtung! Kulturnotfall!
Alle bleiben wo sie sind, dies ist ein Überfall,
Tote und Verletzte gibt es überall,
und Angst hat einen Lohn in diesem Schweinestall.
Beim Bankgespräch hab ich einen Hitzeschub,
der Blutdruck steigt und mir wird alles zuviel,
was hat Geld mit Gewalt zu tun?
und wie zum Teufel kriege ich mein Ich stabil?
Angst als Antrieb. Adrenalin!
Angst als Antrieb. Mehr Disziplin!
Angst als Antrieb. Arge Termin!
Angst als Antrieb. Gibt mir Energien!
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5. Flaschenfolk
Ich bin der Flaschensammler
und ich sammle Flaschen,
so wie andere Autos oder Frauen,
ich hab die Taschen voll Flaschen,
und den Kopf ohne Flausen
ein Mülleimer kann eine Ketchup Mine sein
ich sammle
braune Flaschen, schwarze Flaschen,
ich kann lesen darin wie in einem guten Buch,
bunte Flaschen, Hauptsache Pfandflaschen,
sie sind mein Segen und sie sind mein Fluch.
Ich hab mir abgewöhnt,
die Stadt als Stadt zu sehen,
ihre Häuser als Heimat,
und ihre Strassen zum Weggehen,
die Lokale als Einladung,
die Frauen als Geliebte,
die Schaufenster als Kaufanreiz,
ich bleibe niemals stehen.
Und wenn ich aus dem Supermarkt wieder heraus komme,
hab ich mehr Geld als vorher.
Und auch wenn ihr darüber lacht,
muss ich euch sagen,
dies ist die härteste Form
der freien Marktwirtschaft.
Ich esse Suppe, die so dünn ist wie das Leben,
und doch so warm wie die Liebe einmal war.
Der Himmel kann ja nichts dafür,
daß wir nur am Geld kleben,
es wird bestimmt nicht besser werden dieses oder nächstes Jahr,
denn Träume sind gefährlich,
sie führen zu nichts,
und wenn doch, dann ist es leider viel zu spät,
für das Glück,
denn sie bringen mich nur zurück
in diese Realität.
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6. Der Avantgarde Bettler
Wir sind
Raum-Bettler, wir sind Traum-Bettler,
Wir sind Liebes-Bettler, Überlebens-Bettler,
Wir sind Todes-Bettler und Wunschdenken-Bettler,
wir sind am Ende die neuen Bettler,
wir sind
Bio-Bettler, Anti-Nazi-Bettler,
wir sind Spiesser-Bettler und Bourgoisie-Bettler,
wir sind digitale Bettler, Boheme-Bettler,
analoge Bettler und unbequeme Bettler,
Avantgarde-Bettler …
Wir sind
Börsen-Bettler, Investoren-Bettler,
wir sind pleite Bettler, und verloren Bettler,
selbständige Bettler, Ohne-Kapital-Bettler,
flexible Bettler und mobile Bettler,
wir sind
globale Bettler und Schuldenberg-Bettler,
badische Bettler und Bodenstand-Bettler,
wir sind heile Welt Bettler, Brot und Wasser Bettler,
wir sind die die ihr braucht um euch besser zu fühlen Bettler.
Avantgarde-Bettler … Avantgarde Bettler …
Wir sind
freischaffende Bettler, Freie-Bürger-Bettler,
wir sind Banken-Bettler, Schweizer-Franken-Bettler,
wir sind laute Bettler und beklaute Bettler,
und wir besitzen nur das, was wir am Körper tragen Bettler,
eine Handvoll Bettler, wir sind Rock’n Roll-Bettler,
wir sind außen vor Bettler und innen drin Bettler,
und wir schlafen auf der Strasse, egal bei welchem Wetter,
wir sind froh, daß wir kein Geld haben, denn sonst wärn wir bankrott – Bettler.
Avantgarde Bettler … Avantgarde Bettler …
(die besten Bettler …)
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7. Grundeinkommen Liebe
Armut macht das Leben süß,
süß-sauer wie ein Abschiedskuss,
und bitter wie Medizin.
Die Krise hat mich in der Hand,
und fuhr mich beinahe an die Wand,
nur fehlte mir das Benzin.
Mein Portemonnaie ist immer leer,
doch irgendwo krieg ich immer was zu essen her,
ich bin ein Meister der Improvisation.
Die Liebe ist wie freie Kunst,
ich glaub nicht ans Geld, ich glaub an uns,
und unsere kreative Depression.
Ich habe nie das was ich brauch,
jenseits von diesem Geldkreislauf,
mein Leben ist ein Skigebiet.
Im Slalom fahr ich durch die Welt,
ich suche Liebe, auch ohne Geld,
und singe dir dieses Lied.
Gerichtsvollzieher sind gekommen,
und haben alles mitgenommen,
wie Diebe, doch jetzt bin ich aufgewacht.
Ich bin frei und unvoreingenommen,
gib mir bedingungsloses Grundeinkommen,
als Liebe heute nacht.
Chor:
Komm Komm, Grundeinkommen …
Komm Komm, Grundeinkommen …
Ich bin durchs weite Meer geschwommen,
und hab den höchsten Berg erklommen …
Ich bin frei und unvoreingenommen,
gib mir bedingungsloses Grundeinkommen