Südwest Presse: Integrier mich, Baby!

Den Namen sollte man sich merken: Bernadette La Hengst (Ex-Braut-haut-ins-Auge) trat mit der Drummerin Wanja im franz.K auf und bot eine vor Power und Kreativität nur so sprühende Performance.

 | Von Jürgen Spiess

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Was sollte man von diesem Abend erwarten? In der Ankündigung grinst einem eine im Wasser stehende Frau mit rotem Kleid entgegen. Auf der Bühne trägt sie Cowboyhut, schreit zuweilen wie eine aufbrausende Raubkatze und ist von seltsamen Apparaten umringt. Und dann heißt ihr neues Album auch noch „Integrier mich, Baby“. Man war also auf einiges gefasst. Und tatsächlich zeigt die aus Bad Salzuflen stammende und in Hamburg lebende Sängerin so ziemlich alles, was man sich von einer „Agitations-Chanteuse“ - als die sie häufig bezeichnet wird - verspricht.

Von fast schon schlagerseligen Popsongs bis zu elektrogeschwängerter Discomusik, von lässigen Mariachi-Chansons bis zu gesampeltem Elektrosoul und modern klingenden Sequenzerpassagen ist alles dabei. Auch an Charme und sexy Ausstrahlung fehlt es ihr nicht, das merkt man sofort.

Ausnahmsweise hat sie auf dieser Tour auch eine musikalische Begleitung dabei: Wanja, die sie an einem kleinen Drumset und manchmal auch am E-Bass unterstützt. Ansonsten baut Bernadette La Hengst auf ein gewaltiges elektrisches Schaltwerk, das eine komplette Band simuliert. Aber nicht ganz, denn die Lebendigkeit, die Präsenz und der Druck von Musizierenden lässt sich durch ein Schaltwerk nicht eins zu eins ersetzen.

Bernadette La Hengst sollte man dies aber nicht anlasten. Denn sie singt klasse, gibt eine exzellente Bühnenshow und spielt gut anderthalb Stunden lang die aufgekratzte Animateurin, bis ihr weiß-gepunktetes Kleid schweißnass ist.

Es ist der burschikose Schulschwänzercharme, der die ehemalige Sängerin und Gitarristin des Hamburger Girlskombinats „Die Braut haut ins Auge“ auszeichnet. La Hengst scheut sich nicht, Revolte mit Disco und Spaß zu vereinen und verpasst nicht nur in ihren vermeintlichen Punkrock-Liedern „denen da oben“ einen gehörigen Tritt in den Hintern. Ihre eigenwilligen Sounds kreiert sie in einem überaus unterhaltsamen Raubzug quer durch die Popgeschichte - vor allem durch die 80er Jahre.

Die 45-jährige Musikerin, die auch schon als Schauspielerin unterwegs war, wechselt stilsicher von Schlager zu Cumbia-Disco, von Ironie zu Melancholie, von Knarf Relöm zu Madonna. Dazu dieser groovige Backgroundsound, der dem Ganzen wieder etwas Kollektives gibt und so gar nicht nach Duo-Auftritt klingt, eher nach großer Party. Kurz: Bernadette La Hengst kann wirklich was - und ihre Musik abseits des Mainstreams auch.

Obwohl, so weit weg davon ist sie auch wieder nicht. Und die schön strukturierten Songs wie der tanzbare Titelsong „Integrier mich, Baby“, die postfeministische Hymne „Ich bin drüber weg“, das auf Spanisch gesungene „Transformacion“ oder die wunderschöne Ballade „Grundeinkommen Liebe“ sind abwechslungsreich und eigenständig arrangiert.

Und was das Beste ist: La Hengsts Texte graben dem teilweise etwas seichten Pop-Mainstream das Wasser ab. Als eine der Zugaben singt sie Michael Jacksons „Beat it“ derart schräg und zurückgenommen, dass man das Original gar nicht mehr hören will.

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