Süddeutsche Zeitung, 2002 | Von Barbara Winkler
Von wegen Diskurs-Pop, neue Befindlichkeit und alte Hamburger Schule. Es geht auch anders. Schon im letzten Jahrzehnt sorgte Bernadette La Hengst mit dem erfolgreichen Girlskombinat Die Braut haut ins Auge für frischen Gegenwind in der Szene. Nun produzierte sie im Alleingang ein weiteres Album voller Argumente gegen den müden Zeitgeist. Schließlich ist der beste Augenblick in deinem Leben nicht morgen sondern gerade eben, wie es schön programmatisch im Titelsong heißt. Also weg mit der Gemütlichkeit und ran an die Geschichten, die das Leben so schreibt.
Dazu dient der Sampler, neben Gitarre und Keyboards das Hauptinstrument eines Raubzugs quer durch die Popgeschichte, vor allem durch die 80er Jahre: Locker vereint Bernadette La Hengst Standpunkt und Revolte mit Disko und Spaß und gibt nicht nur im vermeintlichen Liebeslied mit einem „Hallo, es wird nicht eingeschlafen!“ den richtigen Tritt in manch lahmes Hinterteil. Sie spielt Vielseitigkeit als Trumpf aus, wechselt stilsicher von House zu Elektro Pop, von Ironie zu Melancholie, von Annette Humpe zu Madonna. Dazu diese Backgroundchöre, die dem Ganzen wieder etwas Kollektives geben und so gar nicht nach Soloalbum klingen, eher nach großer Party. Trotz Nachdenklichkeit und Ideologiekritik: Hier soll und darf getanzt werden.