Der Sittich profitiert vom Klimawandel

Auf „Machinette“ zettelt Bernadette La Hengst eine Liebesrevolution an. Die euphorischen Texte und ihr Woo-Oh-Oh-Oah sind ansteckend, man möchte mitmachen.

Die Zeit, 21. Mai 2008 | Von Dieter Wiene

„Ich will ein paradoxes, paranoides, parallele Welt-produzierendes, Liebespaare-kopulierendes Paradies!“ Bernadette La Hengst singt diesen Zungenbrecher so flüssig, dass er nicht peinlich wirkt. Ihre Texte holpern auf dem Papier, sie singt sie elegant geschwungen und verwandelt sie in überraschende Poplieder. Der Refrain von Liebesrevolution geht so: „Ich warte schon, wir starten unsere Liebesrevolution / Das Leben ist mehr als Arbeit und Lohn / Mit unserer Veränderungsinspiration / Mit einer Es-geht-auch-anders-Evolution / Mit unserer Entschleunigungsvibration.“

Schon auf ihren ersten beiden Alben „Der beste Augenblick in meinem Leben“ und „La Beat“ ist es Bernadette La Hengst gelungen, die strapazierten Popthemen Freiheit, Liebe und Revolution mit neuem Leben zu füllen. Geschickt verbindet sie auch auf ihrem neuen Album Machinette bekannte Sinnsprüche mit frischen Wortkombinationen. Das populistische Paradies und Liebesrevolution sind Ohrwürmer, die Wort halten. Man glaubt an dieses paradoxe Paradies und möchte allen Zynismus fahren lassen, um mit Bernadette La Hengst jene Liebesrevolution loszutreten. Wie die frühen Rock’n’Roller hat sie einen Erkennungsruf, er geht in etwa „woo-oh-oh-oah“ und reißt den Hörer mit.

Bernadette La Hengst ist schon lange in der sogenannten Hamburger Schule. Mit Knarf Rellöm – ihn nennt sie „ihren ältesten Freund“ – gründete sie Mitte der Achtziger die Punkgruppe Huah!. Ihr Wechselspiel zwischen Ironie und Kritik beeinflusste die deutschsprachige Rockmusik. Im Jahr 1990 rief Bernadette La Hengst die Riot-Grrrl-Band „Die Braut haut ins Auge” ins Leben, seit acht Jahren musiziert sie unter ihrem eigenen Namen und jagt von einem befreienden Popentwurf zum nächsten.

Man folgt ihren Verheißungen von der Freiheit, weil sie die Schattenseiten nicht ausspart. Singt sie von Freiheit und Liebe, dann singt sie auch von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In dem schwingenden Rock’n’Roll-Stück Liebe ist ein Tauschgeschäft heißt es in Anlehnung an den Motown-Klassiker River Deep, Mountain High: „Ich bin durchs weite Meer geschwommen / Und hab den höchsten Berg erklommen / Wegen dem bedingungslosen Grundeinkommen / Namens Liebe.“ In Der grüne Halsbandsittich erzählt sie die Geschichte eines Vogels, der von der Erderwärmung profitiert. Er entwischt aus der überheizten Wohnung in die warme Stadt und verlangt: „Ihr verdient das Geld doch auch mit Emissionenhandel / Also warum soll ich nicht Gewinner sein von eurem Klimawandel.“

Das Zusammenspiel von Gitarren und Elektronik hatte Bernadette La Hengst schon auf ihrem ersten Album perfektioniert, mit Machinette geht sie einen Schritt weiter. Sie leiht sich die Bläser der Schweizer Band Die Aeronauten, sie agieren zwischen Memphis-Soul und Kammerpop, einen Seniorinnenchor lässt sie „Wir sind das Echo Echo Echo unserer Eltern“ singen. Das ist ambitioniert, klingt aber locker und leicht. Geschrammelte Mollakkorde sind ihr Ding nicht. Ihr neuer Schlachtruf lautet „If you don’t know the phunk / You don’t know anything“. Lassen wir uns führen von ihr, in ein „Party-partizipierendes, ein Katechismus negierendes, ein Papa-bezahlt-unser-Grundeinkommen, passioniertes Paradies!“

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