Emanzipation im Elektro-Kleid

„Wenn jetzt jemand wie Charlotte Roche oder Lady Bitch Ray mit so einer harten Provokation in die Medien kommt, finde ich das sehr lustig und verdient, aber die sind natürlich keine vom Himmel gefallenen Aliens.“

Hamburger Abendblatt, 6. Juni 2008 | Von Birgit Reuther

Worauf Bernadette La Hengst anspielt, ist die Arbeit, die Feministinnen jahrzehntelang geleistet haben, sodass die aktuellen Protagonistinnen der Emanzipationsdebatte jetzt „im Mainstream landen und damit auch noch Geld verdienen können“. Auch wenn die Musikerin im Song „Kill Your Idols“ deutlich macht, dass sie keine Ikone sein möchte, die auf dem Sockel thront, steht fest: Sie selbst ist Wegbereiterin eines coolen weiblichen Selbstbewusstseins.

Anfang der 90er mischte sie mit Die Braut Haut Ins Auge als einzige Frauenband in der „Hamburger Schule“ mit. Die 1967 in Bad Salzuflen geborene Künstlerin, die derzeit in Berlin lebt, war damals schon kein angepasstes, sondern „Das dramatische Kind“, wie ein früher Song besagt. Neben der Musik sowie Theater- und Hörspiel-Projekten engagiert sie sich in feministischen Netzwerken, hat das Ladyfest Hamburg mit organisiert, coacht Musikerinnen.

„Ich fühle mich als Teil einer feministischen Bewegung, muss dieses Thema aber nicht mit jeder Platte neu aufgreifen“, sagt La Hengst zu ihrem dritten Soloalbum „Machinette“, das sie heute und am Montag in Hamburg präsentiert. Die Sexyness der Emanzipation, die bei Roche und Lady Bitch Ray in Ekel abdriftet und von den „Alpha-“ respektive „neuen deutschen Mädchen“ teils bemüht herbeigeschrieben wird, schwingt bei La Hengst im herrlich leichten, aber keineswegs gefälligen Elektro-Pop-Kleid. Das Aufregendste ist aber, wie sie ihre Stimme erhebt. Sinnlich und trotzig, verletzlich und verspielt klingt das. Eine schöne, starke Andersartigkeit.

Obwohl La Hengst bereits 2004 das Thema Kind und Karriere mit dem Song „Rockerbraut und Mutter“ in den subkulturellen Kontext überführt hat, geht kritisches Denken bei ihr über Geschlechterfragen hinaus. In ihren Liedern rückt sie dem Gewohnheitstier Mensch auf die Pelle, bürstet etwa das politisch forcierte Sicherheitsdenken gegen den Strich und proklamiert: „Wir sind mit Sicherheit unsicher geboren.“ Verse wie dieser geraten bei der Chanteuse aber nicht zum Lamento, sondern zum Befreiungsschlag. Und überprüft werden die freigeistigen Ideale stets erneut am eigenen Alltag zwischen finanziellem Auskommen und kreativer Autonomie.

Auch die Diskussion um die „Generation Methusalem“ hat La Hengst vertont. In „Das Echo unserer Eltern“ verhandelt sie historisches sowie persönliches Erbe, das von Generation zu Generation getragen wird. Ein Freiburger Seniorenchor singt den Refrain zum Klubsound.

Zudem macht die Künstlerin dem Nachwuchs alternative Angebote - jenseits von Rolf-Zuckowski-Bravheit. Für die CD „Tonangeberei - Songs für jedes Alter ab 3″ stellte sie Stücke von Heinz Strunk bis Helge Schneider zusammen. „Bei der meisten Musik für Kinder habe ich das Gefühl, dass da mindestens die letzten 30 Jahre Musikgeschichte verschlafen wurden. Sehr altbacken.“ Sie möchte Kindern mehr zutrauen - mit Texten und Klängen, die „auch mal verschrobener“ sind. Und vielleicht ein wenig provokant.

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