Kampfoperette „Planet der Frauen“ am Theater Freiburg

Badische Zeitung, 26. März 2012 | Von Bettina Schulte

Das wär’ doch mal was: ein Planet, auf dem die Frauen das Sagen haben. Vielleicht wäre die Welt dann ein besserer Platz zum Leben: ohne Macht und Gewalt, Krieg und Terror, ohne Hierarchien und Ausgrenzungen – dafür voller Liebe und Respekt und Achtsamkeit für Mutter Erde. Ach ja. Warum soll man nicht träumen dürfen? Wer aber sind die Frauen? In Freiburg, in der Uraufführung von Maxi Obexers (Libretto) und Bernadette La Hengsts (Musik und Songs) „Kampfoperette“ „Planet der Frauen“ unter der Regie von Viola Hasselberg handelt es sich um sechs Schauspielerinnen und 23 Laiinnen (das Wort gab es bisher noch nicht, ist aber nicht ersetzbar). Gemeinsam macht sich diese (zahlenmäßig) starke Truppe im Kleinen Haus bereit, unter der Führung von Flugkapitänin La Hengst – in angemessener dunkelblauer Uniform und platinblonder Perücke (Ausstattung: Viva Schudt) – den von Männern zuschanden gerittenen Erdball zu verlassen.

Recht so: Sie – wir – sind schließlich seit 800.000 Jahren das – pardon – gearschte Geschlecht. So oft allerdings, wie es die am Anfang in zwei Lager aufgeteilten Frauen skandieren, die Jüngeren (die das F-Wort nicht mehr hören können) und die Älteren (die genau das den Jüngeren vorwerfen: den Feminismus zu verraten), möchte man das auch wieder nicht hören, nach so vielen Jahrzehnten Frauenbewegung. Und man (ja, ja, ist schon okay: frau) macht sich auf eine Lektion in nachgetragenem Sendungsbewusstsein gefasst und denkt: schade. Der Abend hatte mit der karikierenden Nachstellung weiblicher Ikonen wie Botticellis Venus, der ehernen Jungfrau Jeanne d’Arc, der romantischen Braut in Weiß, der Gottesmutter Maria und einem sehr schrägen Bugs Bunny doch ganz rasant und witzig begonnen. Zum Glück aber verliert sich der politisch ach so korrekte, so schrecklich gut gemeinte Aufklärungsauftrag, der begleitet wird von schauspielerisch hilflosen Aktionen wie dem mit einander zärtlich zugeneigten Köpfen paarweisen Umkreisen eines Kronleuchters – und die gemischte Gruppe spielt sich schließlich phantasie- und lustvoll in kleine Verrücktheiten und eine große wachsende Kampfstimmung hinein.

Für diese immer mehr mitreißende energetische Aufladung des weiblichen Kollektivs sorgt natürlich in erster Linie die mühelos zwischen Elektro und poppigem Rock pendelnde Musik. Bernadette La Hengst ist abwechselnd am PC und – mit einem Madonnamäßigen schwarzen Spitzen-BH unterm Männerjackett – an der E-Gitarre zugange. Das sieht nicht nur ziemlich gut aus, sondern bringt die Power auf die Bühne, die ein für allemal Schluss macht mit jeder mondphasenorientierten esoterischen weiblichen Selbstmystifikation und in Songs wie „Kill Your Idols“, „Rockerbraut und Mutter“ oder „Rolling Role Models“ der Lust auf neue vielfältige Identitäten freien Lauf lässt.

Und wenn sich die fabelhaften Sechs Marie Bonnet, Lena Drieschner, Iris Melamed, Charlotte Müller, Nicole Reitzenstein und Stephanie Schönfeld in Businessanzüge schmeißen und mit dem globalen Männlichkeitssymbol Aktenkoffer allerlei grotesken Schabernack treiben, wenn sich ein Prinzessinnentross in einem imaginären Gefährt mit der überhaupt sehr komischen Nicole Reitzenstein im Ganzkörperkostüm am Kochtopfsteuer singend aufmacht zu anderen Ufern, wenn das klassische Hausfrauenequipment auf Bonsaiformat schrumpft, dann wandelt sich die Botschaft in ästhetisches Vergnügen.

Nicht dass sie nicht wichtig oder gar obsolet wäre: Obexers Texte und La Hengsts – leider nur mühsam verständliche – Lieder messen die Diskussion um den Stand der weiblichen Dinge in ihrer Komplexität sehr wohl aus: Da ist einerseits die Schwierigkeit der jungen, gut ausgebildeten Frauen mit Aufstiegschancen, sich trotzdem als Feministin zu begreifen. Andererseits die Einsicht in die Notwendigkeit so lange weiter um die eigenen Rechte kämpfen zu müssen, bis so etwas nicht mehr vorkommt: „Wie schaffen es drei Frauen in der Regierung unter lauter Männern, gegen die Quote zu stimmen?“ Ja, wie? Und vielleicht geht es ja auch noch um etwas ganz anderes: Vielleicht müssen die Frauen erst mal die Liebe befreien – vom Sofa oder von den Espressotassen („Love in a better world“). Und – in einer sehr schönen Szene – ihr eigenes Selbstbild vom männlichen Schönheitsdiktat.

Die subversive Kraft der Kunst aber liegt in ihren sinnfreien Überschüssen: Charlotte Müller leistet als wunderbar durchgeknallte Amazone einiges. Und hier gerät der Einsatz von Laien an seine Grenzen – wenn auch immer wieder kleine Episoden und Szenen zwischen den Profis und den Amateuren toll zünden, der Spaß der 23 am Bühnenauftritt deutlich spürbar ist und man sicher sein kann, dass diese Produktion weiter wächst und noch besser werden wird. Nicht zu steigern ist der letzte Song „Ich bin drüber weg“: Spätestens hier hat die „Kampfoperette“ ihren Namen voll verdient. Jungs, zieht euch warm an: Die Mädels kommen!

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