Die Lust kopiert zu werden - Bernadette la Hengst hat ihr zweites Solo-Album veröffentlicht
Abendzeitung München, 24. September 2005 | Von Christian Jooß
Bernadette La Hengst neuestes Album „La Beat“ (Trikont) führt eine Künstlerin vor, die ihre Musik konsequent zu musikalischer und inhaltlicher Komplexität führt. Man hört im Hintergrund die Predigt eines Reverend, den Gesang indischer Jugendlicher. Die Texte, teils deutsch, teils englisch, liegen auf einer Musikfläche, die zwischen die Pfosten Rock, Folk, Disco und Elektronik aufgespannt ist. Es ist die zweite Solo-Arbeit der Sängerin, die 1990 ihre Karriere mit der Band Die Braut haut ins Auge begann. La Hengst ist eine Künstlerin, für die eine durchlässige Membran zwischen Kunst und Leben liegt. So kann Bernadette selbst die Globalisierung mit Musik beschreiben. Aber es ist nicht die Rückkehr der Politik im Sinne des klassischen Protestsongs, denn das Flugblatt Bernadette fordert gegen die diskursive Verzettelung in großen Lettern „Her mit der Utopie“. „Ich spreche für euch alle“, verspricht sie, unterstützt von einem cool präsenten E-Bass.
Musik schafft Konsens, aber die Führungsrolle in ihrem eigenen Gedankenspiel will Bernadette nicht übernehmen. Den Künstler besitzt niemand, denn es gibt ihn gar nicht als Einzelperson: „Ich bin kollektiv, und das will ich auch bleiben“, singt Bernadette in einem Stück mit dem feinsinnigen Titel „Copy me (I want to travel)“.
Dieser Versuch, die Gesellschaft mit den Mitteln der Disco zu beschreiben, oder umgekehrt, die Disco als Gesellschaftsmodell zu sehen, erinnert an Bands wie F.S.K. Und es könnte sich die Vermutung aufdrängen, hier würde akademisch musiziert und mit der Emotionalität eines wissenschaftlichen Vortrags doziert. La Hengst singt über „Das Glück“ und „Den Schmerz“, schraubt die Begriffe auseinander, betrachtet die Einzelteile, um sich dann der Betrachtung ihres Herzens zuzuwenden. „Zug ohne Bremse“ ist ein Song, der verrostete Worte neu aufpoliert, ohne sie gleichzeitig mit Gefühl zu schmieren. Emotion ist auf diesem Album nichts, was mit formalen Mitteln zu erreichen ist: Durch das sanfte Ruckeln der Musik, zwischen Mandoline, Cello und Klavier, beginnen die Worte aus sich heraus zu leuchten.