Spex 10/2005 | Von Ralf bei der Kellen
Foto: Michael Mann
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Warum heißt es eigentlich „der Beat“, wo doch so viel mehr Frauen so viel besser tanzen als Männer? Bernadette La Hengst, Ex-Wahl-Hamburgerin, jetzt Wahl-Berlinerin, hat das mit ihrem neuen Album richtig gestellt: „La Beat“ lautet das korrekte Genus. Angesichts dieses Titels ist es kein Wunder, daß das zweite Soloalbum der ehemaligen Die Braut haut ins Auge-Sängerin wesentlich rhythmusbetonter ist als ihr vorheriges Schaffen (was zum Teil auch am Co-Produzenten Ekkejard Ehlers liegen mag). Zudem ist der Titel viel internationaler als der ihres letzten Albums „Der beste Augenblik in deinem Leben ist gerade eben jetzt gewesen“. Und kürzer ist er außerdem. Es scheint, als habe diese Platte das Verlangen, sich in der Welt auszubreiten, genauso wie der auf ihr im gleichnamigen Song beschriebene Virus mit dem Namen „Copy me (I want to travel)“, der in den 80er Jahren von einer bulgarischen Hackerin um die Welt geschickt wurde. La Hengst als Kulturexport? Immerhin hat Bernadette letztes Jahr auf zwei Ladyfesten in England gespielt. Und warum auch nicht, das Goethe-Institut hat schließlich schon ganz andere in der Welt herumgereicht.
„La Beat“ ist vor allem eine persönliche Bestandsaufnahme. Die 14 Songs klingen wie die Antwort auf das vor zwei Jahren erschienene Sterne-Album „Das Weltall ist zu weit“. Wo die Blickrichtung von Frank Spilkers Texten von außen nach innen ging und sich größtenteils auf Festhaltungen beschränkte, beschreitet Bernadette La Hengst den umgekehrten Weg. Und das ist, bei allem Respekt vor den Sternen, der glaubwürdigere und auch der fruchtbarere Weg der künstlerischen Stellungnahme. Gegen „La Beat“ wirkt das Sterne-Album fast wie eine Montagsdemo.
Im Song „Nie mehr vor Mittag“ geht es z.B. darum, mit dem Thema Arbeitslosigkeit kreativ umzugehen. „Es ist der Versuch, dieses „Feld der Depression“ anders zu besetzen und zu sagen: Vielleicht ist das Leben mit Vollzeitbeschäftigung gar nicht erstrebenswert, vielleicht gibt`s ja auch noch ganz andere Sachen. Jetzt muß ich natürlich vor Mittag aufstehen, weil ich eine Tochter habe (lacht), aber man muß sich immer wieder selbst fragen, ob dies auch wirklich das Leben ist, das man wollte, oder ob man nicht nur in einer Maschine mitläuft.“
Bernadette ist letztes Jahr Mutter geworden, und es wäre ganz und gar untypisch für sie, wenn sie ein solches Ereignis nicht auch auf dem Album thematisieren würde. Resultat ist der Song „Rockerbraut & Mutter“.
„Natürlich hatte ich Angst davor, als freie Künstlerin, wo der Lebensunterhalt eben nicht immer gesichert ist, ein Kind zu bekommen. Man braucht ja auch Zeit für sich, man sitzt ja nicht acht Stunden im Büro, sondern muß sich treiben und inspirieren lassen. Also habe ich nach Rolemodels gesucht, bei denen ich sowas wie Zuversicht gewinnen kann, daß diese Dinge zu vereinbaren sind. In meinem Freundeskreis gab es da recht wenige, die meisten Künstlerinnen haben nach der Geburt ihres Kindes aufgehört oder weniger Kunst gemacht. Oder es sind Madonna oder Björk, die sich dann ein Kindermädchen leisten können, das mit ihnen um die Welt reist. Ganz ohne Rolemodels ist es halt schwierig, so ein Leben zu leben und immer zu wissen, was man da tut. Also wollte ich das thematisieren und habe auch versucht, mit dem Lied mein eigenes Rolemodel zu schaffen. Jetzt bin ich gespannt, was da zurückkommt.“
Mühelos schaffen die Songs auf „La Beat“ den Spagat zwischen Persönlichkeit und Politischem. Und: Sie machen Hoffnung. Und ganz nebenbei findet man hier einige der schönsten Songs, die die Dame namens La Hengst je geschrieben hat.